Meine Schulter quält mich und ich bin
ziemlich sicher, dass sie das mit Absicht macht. Deshalb hab ich mir
Verstärkung in Form meines Freundes Jonathan geholt. Jonathan will aber nicht
Jonathan genannt werden sondern Jonathan, klingt affig, ist aber so. Er hat
Physiotherapie in Holland, pardon Niederlanden, studiert – behauptet er
zumindest immer. Ich persönlich glaube ihm kein Wort und denke, er hat den
ganzen Tag nur gekifft und seine Urkunde durch Erpressung bekommen. Ich kann
mir einfach nicht vorstellen, dass dieser Typ studiert.
Als er ankommt öffnen wir das erste Bier und begutachten meine, wahrscheinlich,
zertrümmerte Schulter. Auf dem Couchtisch liegt schon das Tomatenmesser zur
Amputation oder Notschlachtung bereit. Es ist zwar ziemlich klein aber dafür verdammt
stumpf. Nachdem er sich das Unglück zehn
Minuten angesehen und zwei Mal, auf äußerst schmerzhafte Weiße, rein gepikst
hat, gibt er seine fachmännische und qualitativ äußerst wertvolle Diagnose ab:
„Das sieht aber nicht gut aus!“
„Danke Professor, da hat sich das Studium aber richtig gelohnt“, entgegne ich
gehässig, da ich mir doch etwas mehr erhofft hatte. Er übergeht die
Gehässigkeit, zumindest verbal. Dafür pikst er nochmal.
Entgeistert sehe ich ihn an: „So gehst du immer mit deinen Patienten um oder?“
„Nur mit denen, die mich nicht bezahlen aber ist wohl ein Hämatom.“
Mir rutscht das Herz in die Hose, innerlich schreibe ich mein Testament,
verabschiede mich von meinen Liebsten und will grade meinen Frieden mit
Zuckerberg machen, als ich mich meiner Lehrstunden durch Dr. House und Scrubs
entsinne.
„Das ist nur ein blauer Fleck?“
Piks. „Jap und jetzt hör auf zu jammern, wie ein Mädchen“
„Die oberste deutsche Tugend ist das Meckern und ich bin ein Mann und wenn
Männer ein „Aui“ haben dürfen sie wehleidig sein. Das wird von uns erwartet!
Ich nehme bloß meinen Platz in der Gesellschaft ein.“
Ich ningel also noch ein bisschen, bis es sogar mich nervt und wir beschließen,
ein Brettspiel zu spielen – ja es war mal wieder die Sicherungsproblematik aber
diesmal war es die Faulheit die uns im Weg stand.
Ich baue das Spiel auf. Er würfelt und fängt an einen Spielstein 4 Felder vorzurücken.
Mit ruhiger Stimme sage ich:
„Alter: 1.
Hast du eine drei gewürfelt, keine vier.
2.
Ist das mein Spielstein.
3. Bin ich dran.
4. Und das ist am aller
wichtigsten: BEIM SCHACH WIRD NICHT GEWÜRFELT!!!
Die letzten Worte schreie ich fassungslos. Das schlimme an ihm ist, dass man
nie weiß, ob er sowas Ernst meint oder ob er einen an der Nase herum führt. Da
wir mittlerweile bei Bier Nummer 8 angekommen sind, ist es auch schwer sein,
immer wieder entgleisendes Gesicht, zu deuten.
Er rümpft kurz die Nase und fegt dann mit den Worte: „Wenn du eigene Regeln
erfindest macht es keinen Spaß“, völlig emotionslos, alle Figuren vom Tisch. Verdattert guck ich
ihn an. Piks. „Hör auf damit!“ Für so einen kleinen, schmächtigen Kerl hat er
echt verdammt lange Affenarme.
Im Gegensatz zu dem, was Frauen behaupten,
haben Männer tatsächlich Gefühle, zum Beispiel Hunger. Deshalb machen
wir uns etwas Buchstabensuppe warm und studieren beim Essen Ikea, wie er mit
einem Brecheisen probiert die verklebten Teller voneinander zu lösen. Ein gar
köstliches Unterfangen. Die Studie, nicht die Buchstabensuppe, die entsprach
dem, was man bei einer aufgewärmten Buchstabensuppe erwartet, obwohl man an
aufgewärmte Buchstabensuppe wohl am besten keine Erwartung hat, man wird ja
sowieso nur enttäuscht. Als wir die Küche verlassen will er Ikea aufmunternd
auf die Schulter klopfen, verfehlt aber auf Grund von inzwischen 12 Bier den
Torso und räumt deshalb das komplette Gewürzregal ab und plötzlich steht Ikea
in einer Gewürzwolke. Ich schiebe Jonathan durch die Tür, schließ
sicherheitshalber die Küche ab und den gewürzten Ikea ein. So gepfeffert ist er
einfach ungenießbar und ich habe jetzt größere Probleme als den wütenden
Greisen, zum Beispiel meine Gummibeine, die alles machen wollen, außer das, was
ich will. Eine Freundin hat an der Stelle mal gemeint: „Ich kann noch auf den
Strich gehen“. Der Alkohol lässt mich
den rachsüchtigen Norweger auch direkt wieder vergessen.
„ So, ich werde mir mal mein Fahrrad
schnappen und nach Hause radeln.“ , lallt mein kleiner Kumpel und da wir den
gleichen Pegel haben und damit quasi den gleichen Dialekt sprechen verstehe ich
ihn sogar. „Du bist mit dem Auto da“, stelle ich fest. Überrascht von meinem
eigenen Scharsinn lehne ich mich ganz cool an die Küchentür. „Na wenn das so
ist, werde ich wohl auf deinem Sofa schlafen, wenn es genehm ist.“
„Ist genehm. Ich sollte auch ins Bett, ich hab schon das Gefühl, dass die
Küchentür ganz zapplig ist.“ Angezogen wirft er sich auf das Sofa und ich auf
mein Bett. Ich murmel noch:“Nacht“. Er grunzt noch „Ich muss kotzen“ und selig
schlafen wir beide ein. Irgendwie mag das Ding vom Sofa.
Nächste Episode: "Mein Zimmer und der Zug"
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