Freitag, 12. Juli 2013

Mein Legostein des Todes

Ich erwache. Aus den Boxen dröhnt der Rap eines „Künstlers“ der glaubhaft versichert, dass er Geschlechtsverkehr mit meiner Mutter hatte und er mein Papa sei. Im Normalfall hör ich sowas ja gern – ich fühl mich dann immer schlau. Das ist im Übrigen der selbe Grund aus dem Menschen RTL schauen. Aber so recht kann mein schlaftrunkenes Hirn der komplexen Handlung nicht folgen und ich beschließe, dass die Musik weg muss! Mit geschlossenen Augen taste nach der Fernbedienung und finde auch ein Objekt, welches mir vielleicht weiter helfen kann. Ich drücke wie ein Wahnsinniger auf allen Tasten und fuchtel in die Richtung aus der mir jemand erzählt wie er Koks an Kinder verkauft. Nach kurzer Zeit quäkt mir auch freudig die Stimme meiner Ex entgegen. Als ich verwirrt die Augen öffne registriere ich, dass die vermeintliche Fernbedienung mein Handy ist und sich meine Lust auf ein Gespräch mit ihr auf ein Minimum begrenzt. Ich muss mir unbedingt ein Smartphone zulegen.

Ich öffne den Mund um etwas zu sagen doch aus den Boxen dröhnt: 
Ich spritz dir in die Augen, bis du blind bist.“. Da ich der Meinung bin, dass alles gesagt sei leg ich auf und wende mich wieder den ernsten Problemen des Lebens: Mein Hintern klebt am Sofa fest, die Musik passt mir nicht und vor allem bin ich fast wieder klar im Kopf. Nach kurzem Überlegen entschließe ich mich zum gefährlichen Gang zum Sicherungskasten, da er näher ist als der Computer. Bämm… zwei Klappen mit einer Fliege… oder so. Mit einem „tzzzscht“ löse ich mich vom Sofa, balanciere auf dem schmalen Grad zwischen Kleiderständer und Sessel, meide die vorwurfsvollen Blicke meiner, mit Staub bedeckten Hanteln, rolle mich gekonnt über mein Bett und komme auf der anderen Seite, nach vorn strauchelnd wieder auf die Beine. Mit vor Stolz geschwollener Brust, ob meiner heldenhaften Taten, stolziere ich Richtung Tür, greife schon zur Klinke als:“ahhhhhhhhauuuuuuu“. Ein durchsichtiger Legostein hat sich circa 20 cm in meinem Fuß vergraben. Fluchend hüpfe ich auf dem anderen Bein wieder Richtung Bett um mir das Unglück anzusehen obwohl ich mir angesichts der Schmerzen eines langsamen und grauenhaften Todes sicher bin. Nach einem kurzen Blick auf die rotpulsierende Stelle bin ich mir sicher, dass nur der Fuß amputiert werden muss. Erleichtert überlege ich mir, wie ich verhindern kann nochmal auf diesen „Sohn eines Fließbandes „ zu treten.

Gedankenverloren humpel ich zum Sicherungskasten und fasse den Entschluss, dass es im Moment wohl kaum einen sicheren Ort für ein solch gefährliches Gut gäbe. Aber bevor der Atommüll in 200 Jahren auf den Mars geschossen wird lagert man ihn ja auch erst einmal in tiefen Erdlöchern. Mein Erdloch ist das Zimmer meines Mitbewohners. Zufrieden mit meiner vorrauschschauenden Umweltpolitik kippe ich den Schalter für die Sicherung unserer Wohnung um und genieße die folgende Stille. Getrieben vom Tatendrang und dem Bedürfnis diesem schnell Einhalt zu gebieten geht es zurück in mein Zimmer. Gazellengleich überwinde ich die 25 m² Chaos, welches ich auch gern mein Zimmer nenne. Meine Freunde lachen dann immer. Ich schmeiße mich vor meinen Rechner um mir multimedial das Hirn zu vernebeln. Nachdem ich 25 mal den ON-Schalter, 2 mal die Reboot-Taste gedrückt und meinen Rechner voller Verzweiflung auseinander, wieder zusammen und wieder auseinander gebaut habe entschließe ich mir kurzer Hand die Tränen weg zu wischen und meinen Laptop an zu machen.


Entspannte Töne und das Pochen in meinem Fuß sagt mir, dass eine Tüte genau das sei, was ich jetzt brauchte. Ich habe mir mal angewöhnt immer nach dem Kiffen gleich die Tüte für das nächste mal zu bauen um nicht jedes Mal Einen basteln zu müssen wenn ich mal Lust habe einen zu butzeln. Ich ärger mich immer wieder über diesen Schwachsinn. Da meine diebischen Freunde immer meine Feuerzeuge klauen habe ich seit Monaten nur einen Toaster auf meinem Schreibtisch stehen um mir meine Zigaretten oder Jonnies anzuzünden. Ein Geniestreich meinerseits, wie ich immer wieder feststelle, wobei die Angst vor der Nebenkostenabrechnung doch vorhanden ist. Doch auch der Toaster ist entschlossen mir den Dienst zu verweigern. Zutiefst verletzt sage ich „Auch du, mein Sohn?" und stelle Brutus den Toster zu Judas dem Computer, vor Wut bibbernd, in die Ecke um sie mit dem Legostein demnächst auf den Mond zu schießen.


Mit dem Gefühl heute zwei gute Freunde verloren zu haben lege ich mich wieder auf mein Sofa. Ich lausche der Musik und suhle mich in Selbstmitleid. Als der Laptop plötzlich einen leisen und plötzlichen Tod stirbt schließe ich die Augen, ziehe die Knie an die Brust und fange leise an zu Wimmern. Als mein Mitbewohner nach Hause kommt habe ich mich schon fast in den Schlaf geweint. Ich höre wie er in sein Zimmer geht und plötzlich vor Schmerzen aufheult und danach ein lautes Knallen. Mit einem Lächeln schlafe ich ein.


Nächste Episode: "Meine Dusche"

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