Freitag, 12. Juli 2013

Meine Dusche

Nach einer unruhigen Nacht, in der ich von monströsen Schaltern verfolgt wurde, wache ich schweißgebadet auf. Meine Glitschigkeit  verdanke ich jedoch nicht meinen Träumen sondern dem Imitat eines Kunstlederimitates mit dem meine Couch bedeckt ist. Es ist ein bisschen wie mit einer Verflossenen… man hat einige verschwitzte Nächte miteinander verbracht aber so recht mögen tut man sich doch nicht. Mit einem widerwärtigen Geräusch löse ich mich Stück für Stück vom Sofa und spiele mit dem Gedanken mir einen Spachtel zu zulegen und mich selbst „ihre Klebrigkeit“ zu nennen.

Meiner nächtlichen Epiphanie folgend schalte ich die Sicherung wieder ein und mich trifft der Schlag - also nur sinnbildlich. Ich drehe mich zu Judas und Brutus um und murmel: „Ihr alten Schlingel!“.
Ich humpel ins Bad, in der Hoffnung mich nach einer Dusche wieder wie ein Mensch zu fühlen. Also: Klamotten aus, Tür auf, Mensch rein, Wasser an, schreien und wieder raus. Auf meinen Füßen bilden sich leichte Bläschen durch die Verbrennung dritten Grades die mir dieses bösartige Wasser zugefügt hat. Den Gedanken verwerfend, meine Füße in der Toilette abzukühlen, wage ich einen zweiten Versuch. Tür auf, Mensch rein und da ich dümmer aussehe als ich bin nehme ich den Duschkopf in die Hand und schiebe millimeterweiße den Duschknauf hin und her, bis ich zu dem Entschluss komme, dass ich meine eigenen Bedürfnisse dem größeren Wohl unterzuordnen habe und nicht wie ein verwesender Pavian zu riechen schien mir doch schon ein sehr ritterliches Ziel zu sein. In Folge dessen hänge ich den Duschkopf wieder in die Halterung, schließe,  noch einen kurzen Gedanken an die böse Hexe des Westens verlierend, die Augen und springe todesmutig unter meinen feuchten Peiniger.

 Mein Herz überspringt drei, vier Schläge, fängt dann aber netter Weiße wieder an seinen gewohnten Dienst zu verrichten, wofür ich doch recht dankbar bin. Meine Hoden machen mir da schon mehr Sorgen, die haben sich nämlich mit einem vernehmbaren „Flop“ irgendwo ins Körperinnere verabschiedet. Nach circa zwei Sekunden unter dem -273°C kalten Wasser beschließe ich, dass das reichen muss, stehle meinem Mitbewohner sein ekliges 2 in 1 Duschbad-Shampoo-Pfui-Dreckszeug, weil meine Seife alle ist. Um den ekligen Schund schnell wieder los zu werden hüpfe ich beschwingt unter das sadistische Nass. Mittlerweile ist das Wasser wieder bei seinen ursprünglichen 200°C - eine zweifelhafte Freude. Mit viel Ungeschick und noch mehr Vorsicht kletter ich aus der Dusche und begutachte das Unglück - total durchgefroren und schwitzend glotze ich auf meine Füße die in schönem Reinhold-Messner-Blau-Schwarz leuchten und über und über mit Blasen bedeckt sind.

 Wutentbrannt gleitet mein Blick hinauf zur Dusche. Grade will ich zu einer viertelstündigen Hasstirade mit anschließendem Krieg ansetzen als ich mich noch besinnen kann. Sun Tzu schrieb in „Der Kunst des Krieges“, dass man keinen Krieg anfangen sollte, den man nicht gewinnen kann. Und die Dusche schien mir ein übermächtiger Gegner zu sein. Ein Krieg den ich nicht gewinnen kann. Zumal ich panische Angst habe, auf Grund des geringen Reibungskoeffizient eines Tages tödlich in der Dusche zu Verunglücken und ich ihr keinen Anlass zu meiner Hinrichtung geben wollte. Jetzt, da sich der rote Schleier der Wut legt und ich wieder ein wenig zu Besinnung komme, erblicke ich die Waschmaschine und sie läuft. SIE LÄUFT! Verbraucht mit ihrer 30°C Wäsche das gute kalte und warme Wasser. Mein gutes Wasser! Hat man schon mal gehört, dass jemand von einer Waschmaschine getötet wurde? Ich glaube nicht. Ich fange an sie wüst zu beschimpfen: „Du klobiges Stück Altmetall!“ – ich komme ins stocken… was könnte wohl ihre Gefühle am meisten verletzen. Da fällt es mir ein Waschmaschinen sind die Stoiker unter den Haushaltsgeräten – stumm und schweigsam. Da helfen nur Folterdrohungen: „Falls du sowas noch einmal machst wasch ich nur noch Schuhe und Wackersteine in dir und das ohne Weichspüler!“ Jetzt fühl ich mich besser. Als ich mich angezogen und das Zimmer schon halb verlassen habe drehe ich mich noch einmal um und knurre mit erhobenem Zeigefinger: „Noch so ein Ding und ich ersetz dich durch ein Waschbrett!“ Darauf vernehme ich einen Schleudergang der sehr nach einem verächtlichen Lachen klingt. Ich kann es ihr nicht verdenken, ich glaube es ja selber nicht.

Essen! Mit dem plötzlichen Gefühl vollkommen ausgehungert zu sein stolper ich in die Küche. Da sitzt mein Mitbewohner mit dem Rücken zu mir auf seinem Drehstuhl, der eigentlich in seinem Zimmer steht.  Verdattert bleibe ich stehen. Langsam dreht er sich um, in seinem Gesicht ein diabolisches Lächeln und auf seinem Schoß sitzt Brutus der Toaster, den er langsam und genüsslich streichelt. Das „Warum“ bleibt mir im Halse stecken als ich den perfiden Plan erkenne: Der Wasserhahn läuft, der Durchlauferhitzer keucht und die Waschmaschine ist unschuldig! Schließlich purzelt das „Warum?“ doch noch aus meinem Gesicht, wenn auch mehr zu mir als zu ihm. Er wirft mir wortlos einen durchsichtigen Legostein entgegen. Ich grinse. „Touché“ grunze ich und zermartere mir schon das Hirn nach einem effektvollen Gegenschlag.

Hass lässt die Luft knistern. Man kann die Spannung spüren. Er reicht mir einen Zettel mit der Aufschrift „Können Sie mir helfen mit meinem Zimmer auf dem Stuhl zu tun? Der schwer!“ Den anderen nicht aus den Augen lassend tragen wir den Drehstuhl in sein Zimmer. Ich nehme ihm Brutus ab und gehe behutsam rückwärts aus dem Raum. Der Terrorist sitzt inzwischen wieder auf seinem Stuhl und grinst mich an. Ich schließe die Tür und wage es endlich wieder zu atmen. Ich weiß, dass mich dieses Grinsen in den nächsten Stunden nicht ruhen lassen wird. Doch zuerst musste ich mich um etwas anderes kümmern. Ich geh wieder ins Bad, entschuldige mich bei der Waschmaschine für mein unverschämtes Verhalten und pinkel dabei, als Machtdemonstration,  in die Dusche. Alles an mir schreit nach Vergeltung. Da fällt es mir wie Schuppen von den Haaren: Ich pinkel ihm in sein Duschbad! Ach Mist das habe ich schon vor einer Woche, nachdem er mit Absicht auf mein Kopfkissen gepupst hat. Ich grinse – der Schlag trifft mich, zum zweiten Mal am heutigen Tag – das Grinsen verblasst. Angewidert entkleide ich mich und schaue zum Duschkopf. Er hat das gleiche teuflische Lächeln, wie mein Mitbewohner vor 3 Minuten. Ein Tropfen fällt dampfend auf den infernalisch glatten Duschboden. Ich denke mir „Naja, wenigstens sind die Hoden wieder da wo sie hingehören, wenn man meine Leiche findet.“ und steige argwöhnisch in die Duschkammer, bereit das Fegefeuer zu empfangen.

Nächste Episode: "Mein Recht auf ein bisschen Hass"

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